StartseiteRegionalRegion OstalbBopfingenEs ist schwer geworden: Doch die Schau läuft weiter

Schiffschaukel

Es ist schwer geworden: Doch die Schau läuft weiter

Bopfingen / Lesedauer: 3 min

Es ist schwer geworden: Doch die Schau läuft weiter
Veröffentlicht:14.05.2010, 23:00

Artikel teilen:

„Herr segne diese Schiffschaukel, damit alle sie nach deinem Willen gebrauchen“ – so hat Lauchheims Pfarrer Willi Scheitz das neue Fahrgeschäft der Familie Wirsching-Holzner gesegnet. Wie die anderen traditionsreichen Bopfinger Schaustellerfamilien führen sie das Erbe fort: Auch wenn allen der Wind scharf ins Gesicht bläst.

Von unserem Redakteur   Bernhard Hampp

Der 30-jährige Marco Holzner steigt mit der Schiffschaukel, die 16 Jahre im blühenden Barock in Ludwigsburg stand, ins Geschäft ein. Die Segnung war die Idee seiner Mutter Romana Wirsching . Sie hofft, dass ihm Glück beschert ist. Die 49-Jährige selbst bietet seit 1997 Süßwaren, Armbrustschießen, Entenziehen und Spielwarenverkauf auf Jahrmärkten an. Ihre Mutter Rita wiederum fing 1967 an mit Schiffschaukel und Verlosung.

Kirmesunterhaltung ist Familiensache. Das ist auch bei der Bopfinger Schaustellerfamilie Kauffmann so. Die fünf Kauffmann-Brüder Ralf , Uwe, Jürgen, Peter, Otto und die Schwester Christine haben ihre eigenen Schaustellergeschäfte in Bopfingen. Die Schwester Anita ist nach Bad Säckingen gezogen – dort heiratete sie einen Mann aus der Schaustellerfamilie Vogel.

Prachtstück der Familie war zehn Jahre lang das Überschlagkarussell Experience, mit dem Jürgen Kauffmann auf Volksfesten von Zwiesel bis Kiel unterwegs war. Ende vergangenen Jahres hat er es an einen Holländer verkauft. „Die Nebenkosten wie Transport, Versicherung, Strom waren einfach zu teuer“, sagt Kauffmann, der jetzt ein Kinderkarussell betreibt.

Sperriges wird ersetzt

Sein Bruder Ralf Kauffmann besucht mit seinem Auto-Scooter regelmäßig die Ipf-Messe, das Nördlinger Stabenfest, die Muswiese Rot am See, das Aalener Frühlingsfest und das Ellwanger Frühlingsfest. 1988 hat er von der Essinger Schaustellerfamilie Grund, auch das ein legendärer Name in der Branche, den Autoscooter übernommen. Die sperrige Anlage – „wir mussten bis zu 250 Kilo schwere Teile tragen“, erinnert er sich – ersetzte er 2002 durch ein modernes Fahrgeschäft, das er der Familie Vogel abkaufte. Heute geht die meiste Arbeit automatisch und per Computer: Im Nu ist die ganze Halle auf dem Containerpackwagen verstaut.

Die Zeiten haben sich geändert, seit der Ipfmesse 1866 für die „Gymnastiker“, als eine „Panorama-Projektion lebendiger Stiere“ und ein „Ringwurfspiel für Galanterie- und Wollwaren“ als Attraktionen angekündigt waren. Geblieben ist, dass Bopfingen eine Stadt der Schausteller ist. Dafür sorgt neben den Kauffmanns und den Wirschings auch die Familie Maier, die mit Schießbuden, Schiffschaukel, Nostalgie-Kinderkarussell, gebrannten Mandeln, Fahrgeschäften und Verlosungen Volksfeste bereist.

„Die weite Welt ist unser Feld“, steht auf der Internetseite von Jürgen Kauffmann. „Wenn du unterwegs bist, bist du unterwegs“, sagt sein Bruder Ralf. Er selbst hat unzählige verschiedene Schulen besucht, jetzt geht es seinen Kinder Robin und Jacqueline ähnlich. Seine Frau Amera kommt natürlich aus einer Schaustellerfamilie: Knochel aus Fichtenau.

Bei aller Begeisterung: Es ist schwer geworden. Vergnügungsparks machen den Volksfesten Konkurrenz, Jugendliche geben Geld lieber für Handys aus. „Volksfeste sind nicht mehr die einzige Vergnügung“, weiß Romana Wirsching. „Wer verkaufen kann, der verkauft“, sagt Jürgen Kauff mann über die großen Fahrgeschäfte. Die Branche leidet und wächst zusammen, weiß Autoscooter-Betreiber Ralf Kauffmann: „Viele sind vom hohen Ross runtergekommen.“ Er ärgert sich auch über die zunehmend schlechten Manieren vieler Volksfestbesucher. „Man sagt schon gar nichts mehr, wenn wieder jemand die Füße aufs Auto legt“. Selbst auf der kleinsten Kirchweih gehe „nichts mehr ohne Security“.

„Ich habe schon manchmal gesagt: Ich habe die Schnauze voll“, erzählt Ralf Kauffmann, und fügt hinzu: „Aber was sollte ich sonst machen, das ist mein Beruf.“ Viele sind bis ins hohe Alter unterwegs, Ralf Kauffmanns Schwager Walter Vogel reist mit 75 Jahren immer noch mit Kettenflieger, Schießen und Losbude. Auch für Marco Holzner ist es eine Selbstverständlichkeit, die Familientradition fortzusetzen. Mit göttlichem Segen geht er von nun an auf Tour.