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Ravensburger Verlag nimmt Winnetou-Kinderbuch nach Kritik aus dem Programm

Ravensburg / Lesedauer: 5 min

Es geht um neue Version des Klassikers „Winnetou“ – Internetnutzer kritisierten die Veröffentlichung
Veröffentlicht:19.08.2022, 16:00

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Unter dem Titel „Der junge Häuptling Winnetou“ hat der Verlag Ravensburger ein Kinderbuch zum gleichnamigen aktuellen Kinofilm herausgebracht – und dafür deutliche Kritik im sozialen Netzwerk Instagram geerntet.

Die Internetnutzer kritisierten grundsätzlich, dass der Stoff des Klassikers von Karl May überhaupt noch verlegt wird, zumal für Kinder. Darin würden rassistische Stereotype wiedergegeben, die ihren Ursprung im Kolonialismus haben, lautete zum Beispiel ein Kritikpunkt der Instagram-Nutzer.

Auch die Jury der „Deutsche Film und Medienbewertung“ hatte in Teilen Probleme mit dem Stoff. Nun hat Ravensburger reagiert und die Titel zum Film aus dem Programm genommen.

Ravensburger will Lizenztitel besser prüfen

„Die Entscheidung, die Winnetou-Titel zu veröffentlichen, würden wir heute nicht mehr so treffen. Wir haben hier ganz klar einen Fehler gemacht. Deshalb haben wir uns entschlossen, die Auslieferung der Titel zu stoppen und sie aus dem Programm zu nehmen“, teilt Sprecher Heinrich Hüntelmann am Freitag auf Schwäbische.de-Anfrage mit.

Die vier Produkte – ein Buch für Kinder ab acht Jahren, ein Erstlesebuch, ein Stickerbuch und ein Puzzle – hat Ravensburger begleitend zum Film, der am 11. August in die Kinos kam, verkauft und zu diesem Datum auch beworben.

Wir haben jedoch aus diesem Fall gelernt.

Heinrich Hüntelmann

Die Firma, deren Zeichen die blaue Ecke ist, hat dies als Lizenznehmer veröffentlicht. Der Inhalt werde in solchen Fällen übernommen und nicht geändert, sagt Sprecher Hüntelmann auf Anfrage. Im konkreten Fall habe Ravensburger das Drehbuch des Films zwar selbst in eine für Kinder lesbare Form gebracht, man habe aber keinen eigenen Inhalt dazu erarbeitet.

„Wir haben jedoch aus diesem Fall gelernt, dass wir in Zukunft Angebote noch kritischer auf sensible Themen prüfen müssen, bevor wir uns für einen Lizenztitel entscheiden.“

Auch Film-Jury war gespalten

Der Film „Der junge Häuptling Winnetou“ wurde von der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW), eine Einrichtung aller Bundesländer, als „besonders wertvoll“ eingestuft.

Doch auch die Jury der FBW war sich dabei mitnichten einig: „Nach Sichtung des Films zeigte sich in der sehr langen Diskussion, dass in der Gesamtbewertung die Jury absolut gespalten war – zwischen vehementer Ablehnung einerseits und großer Zustimmung andererseits“, hatte die Behörde dazu auf ihrer Internetseite geschrieben.

Zu kritischen Tönen in der Jury heißt es: „Karl Mays literarische Idylle im Herkunftsland der indigenen Völker Nordamerikas sei, so die Aussage der Jury-Mitglieder, eine Lüge, welche den Genozid an den Ureinwohnern Amerikas und das ihnen zugefügte Unrecht der Landnahme der weißen Siedler und der Zerstörung ihres natürlichen Lebensraumes vollkommen ausblenden würde.“

Die Befürworter des Zertifikats „besonders wertvoll“ hingegen hätten „die schöne Botschaft: ,Folge deinem Herzen’“ gesehen. „Dies ist eine der Botschaften, der man auch weitere wie ,Frieden zwischen Menschen, egal welcher Herkunft’ und ,Waffen sind keine Lösung’ hinzufügen kann“, heißt es von der FBW weiter. Sie setzten sich letztlich offenbar durch.

Kritiker halten den Stoff für „schädlich“

Positive Kommentare in diesem Sinne zum nun von Ravensburger verlegten Stoff finden sich im sozialen Netzwerk Instagram kaum. Ravensburger hatte dort Werbung für das neue Buch zum Film gemacht und rund 180 Kommentare geerntet. „Was soll dieses Buch? Es reproduziert rassistische Stereotype, die ihren Ursprung im Kolonialismus haben“, schreibt eine Nutzerin. Ein Account mit dem Namen „Vielfältiges.Klassenzimmer“ kommentiert, der Stoff sei „schädlich“ und beinhalte „Romantisierung von Völkermord“.

Eine Nutzerin, die bei Instagram angibt, Buchhändlerin zu sein, schreibt: „Es wird übrigens auch mal Zeit, euer bestehendes Sortiment an Kinderbüchern zum Thema indigener Menschen respektvoll zu überarbeiten.“

Kritik an der Wiederauflage der Karl-May-Geschichte hatte auch schon die „Natives in Germany“ geäußert, ein Instagram-Profil von und für die ursprüngliche Bevölkerung aus Nord-, Zentral- und Südamerika, wie es dort heißt.

Ravensburger war betroffen von negativen Kommentaren

Nach einiger Zeit reagierte Ravensburger und meldete sich in den Kommentaren zu Wort. Die Firma bedankte sich für die Rückmeldungen. Man werde die Kritik ernst nehmen und wolle daraus lernen. Außerdem räumte Ravensburger dort ein: „Wir sind in der Tat sehr betroffen über die vielen negativen Kommentare, die hier gepostet wurden.

Sollte unser Buch zum Film – eine rein fiktionale Geschichte zu einem der beliebtesten Filmklassiker – die Gefühle anderer verletzt haben, bedauern wir dies.“ Von einem Stopp der Verbreitung war dabei noch keine Rede, diese Entscheidung fiel intern Ende der Woche, so Ravensburger-Sprecher Hüntelmann.

Er erklärt die Gründe dafür so: „Der öffentliche Diskurs um Themen wie Diversität hat sich in letzter Zeit stark verändert. Unsere Redakteure beschäftigen sich intensiv damit, diskutieren die Folgen für das künftige Programm und überarbeiten bestehende Titel.

Mittlerweile ziehen sie gerade mit Blick auf diese sensiblen Themen externe Fachberater zu Rate oder setzen ,Sensibility Reader’ ein, die unsere Titel noch einmal kritisch auf den richtigen Umgang mit diesen Themen prüfen. Bei den Winnetou-Titeln ist uns das leider nicht gelungen, sie entsprechen nicht den Ravensburger Standards, deshalb entfernen wir sie aus dem Programm.“

Ravensburger stehe für Werte wie Fairness, Gemeinsamkeit und Vielfalt, hatte die Firma zuvor schon auf Instagram kommentiert. Zudem gebe es Leitlinien für Veröffentlichungen, dazu gehörten „sachliche Ausgewogenheit und Respekt vor allen Kulturen und Lebensweisen. Rassismus und kulturelle Aneignung sollen darin keinen Platz haben.“