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Wundermaschinchen

Der wahrscheinlich schnellste Elektriker der Welt

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Der BMW i3 bietet das Fahrgefühl der Zukunft – Aber Reichweite, Ladezeiten und Preis des Elektromobils bremsen die Euphorie
Veröffentlicht:05.04.2014, 13:45

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Dieser BMW ist ein Wundermaschinchen, so viel ist gleich klar. Er schafft das Unmögliche. Zwar ähnelt er mit seinen Kleinwagenmaßen und der Van-artigen Bauart eher der seniorentauglichen, alten A-Klasse als einer rassigen Limousine. Auch bietet er weder edle Ledersitze noch jenes Luxus-Geräusch satt schließender Autotüren (Leichtbau, sorry!). Und eindrucksvolles Röhren an der Ampel lässt er schon gar nicht hören. Und doch zieht der i3 mehr Blicke auf sich als alle Sportflundern und SUVs zusammen – neugierige, bewundernde, irritierte Blicke. Denn: Er zischt davon wie von Geisterhand bewegt. Die Fahrerin – oder sollte man angesichts des Designs und der Toptechnologie eher sagen: Pilotin? – kommt sich fast ein wenig vor wie Bertha Benz weiland auf ihrer ersten Fahrt mit dem „pferdelosen Wagen".

Und, wie fährt er sich nun? Ganz anders. Dass der Ganghebel fehlt, okay, dafür gibt es Tasten wie bei Automatik-Autos. Das erste große „Aha“ erfolgt aber spätestens, wenn der Startknopf gedrückt ist, das Display Betriebsbereitschaft signalisiert und das Gaspedal leicht angetippt wird. Wie bei Elektroautos üblich, steht die Energie sofort voll zur Verfügung. Und im Fall des i3 ist das nicht wenig: in der Lithium-Ionen-Batterie auf der Hinterachse, oder besser gesagt in dem Hybrid-Synchronmotor stecken umgerechnet 170 PS (125 kW), die Beschleunigungswerte sind schon auf dem Papier eindrucksvoll – in 3,7 Sekunden auf 60, in gut 7 Sekunden auf 100 Sachen. In Realität heißt das: Der bayerische Stromer zieht ab wie eine kleine Privat-S-Bahn – lautlos, stufenlos, wie auf Schienen. Das Fahrgefühl der Zukunft? Könnte man sich dran gewöhnen. Da machen auch die Mitfahrer große Augen.

Jedenfalls fährt der i3 mit seiner Agilität, dem gut abgestimmten Fahrwerk, der nie nervös wirkenden Lenkung und den guten Bremsen, die man dank der Rekuperation kaum benutzen muss, den anderen Elektromobilen wie etwa dem Renault Zoe, dem VW E-Up oder dem Nissan Leaf Tekna leicht davon. Auch und gerade in Sachen Fahrspaß. Diese Art von Exklusivität hat aber einen satten Preis: 35 000 kostet der i3, ohne Extras. Auch so ein Aha-Effekt.

Die oberste Maxime in diesem Wagen lautet: Effektiv mit Energie umgehen, dazu trägt auch die Karosserie aus carbonfaserverstärktem Kunststoff bei, die das Auto besonders leicht macht (knapp 1200 Kilogramm) und es auch ermöglicht, auf B-Säulen zu verzichten. Die hintere Tür lässt sich daher gegenläufig öffnen – eine Besonderheit, die beim B-Max von Ford gefeiert wurde, hier aber zur Nebensache gerät.

Der Effektivität wegen gibt es auch drei Fahrmodi – neben dem Volle-Pulle-Modus Comfort noch EcoPro und EcoPro+, also vernünftig und sehr vernünftig (ohne Heizung, 90km/h Maximum). Wie sich zeigt, haben sie durchaus ihren Sinn. Denn die Fahrerin denkt bald nur noch an das Eine: Reichweite. 130 bis 160 Kilometer sind es laut BMW. Aber nach der ersten Heimfahrt von zehn Kilometern sind davon schon mehr als 35 Kilometer weg. Aha?! Es ging bergauf, zugegeben. Die Klimaanlage war in Betrieb. Aber wie soll das weitergehen? Nie war die „Tankanzeige“ so interessant. Dabei kann die spritgewohnte Fahrerin mit der Kilowattstunden-Anzeige noch wenig anfangen. 18,1 kWh Verbrauch im Schnitt meldet der Bordcomputer – ist das nun viel oder wenig? Etwas mehr jedenfalls als auf dem Papier steht. Bei runden 20 Cent pro Kilowattstunde wären das Energiekosten von 3,62 Euro pro 100 Kilometer, was sympathisch erscheint. Aber eines ist eben auch klar: Wer den i3 ohne Range Extender, also ohne zusätzlichen Verbrennungsmotor (34 PS), geordert hat, der bleibt einfach auf der Strecke, wenn der Strom alle ist. Dieser hier ist so ein Modell.

Aber es wäre kein außergewöhnliches Auto, hielte es nicht auch hier eine Überraschung bereit. Bei der Rückfahrt ins Büro, diesmal bergab, kurbelt er wieder gut sechs Kilometer Reichweite drauf. Noch mal „Aha!“. Und so geht das munter weiter. Der schnelle Elektriker macht leider einen leicht unberechenbaren Eindruck. Also lieber zügig nachladen, was an der heimischen Steckdose tatsächlich gelingt. Nach einem langen Tankabend von knapp vier Stunden hat sich die Reichweite wieder um sagenhafte 40 Kilometer erhöht. Für die volle Ladung sind dann schon acht oder neun Stunden anzusetzen. Von den vereinzelt schon existierenden Schnellladestationen ist unsereins leider weit entfernt.

Wie entscheidend die Reichweite sein kann, zeigte sich auch daran: Der Testwagen musste per Tieflader ins ferne Oberschwaben gebracht und wieder geholt werden. Denn aus eigener Kraft bis München? Niemals. Für i3-Fahrer gilt: Die Grenzen meines Landkreises sind die Grenzen meiner Welt. Wie zu Bertha Benz’ Zeiten.