Kulturufer
Get Well Soon: Schwermut kann so schön sein
Friedrichshafen / Lesedauer: 4 min
Soundtrack zum Philosophieren: Der großartige Songwriter Konstantin Gropper hat mit seiner Band Get Well Soon am Kulturufer konzertiert. Rund 400 Menschen kamen und erlebten ein Konzert, bei dem die leisen Töne genauso wichtig waren wie die großen Hymnen.
Von unserem Redakteur Daniel Drescher
Die letzten Töne des hinreißend schönen „Tick Tack! Goes My Automatic Heart“ sind verklungen, aber nachdem der Applaus sich gelegt hat, ist es nicht still im Großen Zelt. Es ist nicht das Rauschen eines Verstärkers, wird schnell klar – es ist der Regen, der in dicken Tropfen aufs Zelt prasselt. Get Well Soon-Mastermind Konstantin Gropper stapelt tief: „Gut, wer von Euch ist jetzt nur hier im Zelt, damit er nicht nass wird?“
Die Antwort müsste ihm gefallen. Wer hier ist, will das „oberschwäbische Wunderkind of German Indiepop“ sehen, das Wetter ist herzlich egal. „Der Regen kommt vom Band, damit ihr hier bleibt“, legt der Sänger und Gitarrist nach. Understatement pur. Dieses Untertreiben ehrt ihn, nötig hat der 27-Jährige das aber nicht.
Der aus Erolzheim (Kreis Biberach) stammende Komponist gilt seit seinem visionären Debütalbum 2008 als Lichtgestalt der deutschen Musiklandschaft. Die Feuilletons feiern ihn, nicht nur hierzulande. Seine Musik verquickt orchestralen Bombast, schwermütige Weisen und introvertierte Indie-Hymnen mit philosophischen oder auch mal verquer-morbiden Texten. Auf seiner im vergangenen Januar erschienenen Platte „Vexations“ setzt er sich unter anderem mit Seneca und dem Stoizismus auseinander, jener philosophischen Gedankenwelt, die sich aus Gelassenheit, Einsicht und Gleichmut nährt. „It’s time to lose it all, ’cause then we are free“, heißt es da in „We Are Free“.
Das sagt viel über den Musiker aus Oberschwaben aus. Stoische Ruhe bestimmt oftmals die Songs des Bandkollektivs, das beim Kulturufer zu sechst auf der Bühne steht. Meist hat Gropper die Augen geschlossen, die sauber gescheitelten Haare fallen dem Mann im Bestatter-Outfit in die Stirn. Viele Stücke sind in sich gekehrt, wie das an Radiohead gemahnende „We Are Safe Inside While They Burn Down Our House“. Und selbst wenn ein Lied dann am Ende noch von der Kette gelassen wird, wie das bei „I Sold My Hands For Food So Please Feed Me“ der Fall ist, zögern sie das Rock’n’Roll-Moment bis zum Gehtnichtmehr heraus. Dass sowas kaum ins Radio passt? Egal. Und überhaupt, diese Songtitel, die jeden Moderator zur Verzweiflung bringen würden: „Listen! Those Lost At Sea Sing A Song On Christmas Day“ heißt der am härtesten rockende Song, und ausgerechnet bei dem kämpft Gitarrist Maximilian Schenkel mit dem Effektboard seiner angeschrammten Telecaster.
Dunkel und verletzlich
Nur die Ruhe. Die rund 400 Fans, die da sind – ins große Zelt passen 1200 – saugen jede Note auf, lassen sich vom Weltretter-Indierock des ehemaligen Musikstudenten aufbauen, ermutigen, heilen. Unglaublich, dass dieser Endzwanziger da auf der Bühne eine Stimme hat, die dunkel wie Nick Cave klingt und verletzlich wie Thom Yorke. Unglaublich, dass er Epen wie „5 Steps / 7 Swords“ komponieren kann, diesen Calexico-artigen Totenmarsch im Büßergewand. Konstantin Groppers Schwester Verena singt, geigt und schlägt die großen Zimbeln an, wenn es bombastisch wird. Percussion spielt eh eine große Rolle: Oft kommen die Widerhaken-Melodien vom Xylofon oder der Marimba, bei „Angry Young Man“ etwa. Am euphorischsten beklatschen die Fans den heimlichen Hit „If This Hat Is Missing I Have Gone Hunting“, diese gruselige Jagdpartie mit den skurrilen Cheerleader-Chören. Als Zugaben gibt es das verschleppte „You/Aurora/You/Seaside“ und das zwischen niedlich und trostlos hin und her pendelnde „We Are Ghosts“, das mit seiner Schlusszeile „God Is Dead“ Nietzsche zitiert und den Schlusspunkt unter das fast zweistündige Konzert setzt.
Trotz aller Melancholie: Konstantin Gropper ist in Plauderlaune. Ein Heimspiel sei es, am See aufzutreten, man könne so viele Menschen treffen, Verwandte und „Langzeitfreunde“.
Sein Auftritt macht aber auch klar: Es kann nicht immer nur um die Quote gehen. Wer hier ist, dem sind New Pop Festivals und Gaga-Ladies egal. Wie gut, dass beim Kulturufer nicht die Chartstürmer vertreten sind, sondern Musik, die relevant ist. Get Well Soon, das möchte man auch der Musikwelt wünschen.