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Bankberatung

Streitgespräch: Was ist dran an den Vorwürfen gegen die Bankberatung?

Wirtschaft / Lesedauer: 20 min

Streitgespräch: Was ist dran an den Vorwürfen gegen die Bankberatung?
Veröffentlicht:13.08.2010, 20:40

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Die Qualität von Beratungsgesprächen in Banken ist ins Gerede gekommen. Die vielfach fragwürdigen Empfehlungen von Lehman-Zertifikaten während der Finanzkrise sind nur ein Fall von vielen. Eine aktuelle Bestandsaufnahme der Zeitschrift „Finanztest“ kommt ebenfalls zu einem eher niederschmetternden Ergebnis. Wir haben darüber mit zwei Bankern und einem Verbraucherschützer diskutiert: Karin Geiger ist stellvertretende Leiterin Marktkommunikation beim Sparkassenverband Baden-Württemberg; Anton Sproll, Vorstand der Waldseer Bank, vertrat das Genossenschaftslager. Finanzexperte Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg trug als Anwalt der Bankkunden viele kritische Fragen vor. Ein Schlagabtausch.

Das Gespräch führte unser Redakteur Martin Sturm

Niels Nauhauser: Nein. Denn die Banken beraten nicht am Bedarf ihrer Kunden entlang – sondern sie wollen Produkte verkaufen. Und zwar eben nicht auf Grundlage vernünftiger Beratung. Wir Verbraucherschützer weisen seit vielen Jahren auf dieses Problem hin. Mit der Finanzkrise hat es sich sogar noch verstärkt.

SZ: Ein starker Vorwurf. Frau Geiger und Herr Sproll, finden Sie auch, dass Bankkunden ihren Geldinstituten nicht mehr vertrauen können?

Anton Sproll: Ich finde, Bankkunden können den Banken sehr wohl vertrauen. Das sage ich mit demselben Nachdruck wie Herr Nauhauser.

Karin Geiger: Die Kunden tun es auch. Das wissen wir, weil sie uns das in Umfragen sagen, die die Sparkassen in Abständen durchführen.

SZ: Eine aktuelle Studie der

Geiger: Ich möchte gern trennen zwischen der Aussage „Vertrauen haben“ und formalen Kriterien des Gesetzgebers. Wenn ich das Magazin „Finanztest“ lese, das den Test veröffentlicht hat, denke ich zunächst einmal: Unsere Sparkassen haben da ein relativ gutes Ergebnis. Man kann sich immer verbessern, und das ist ja auch unser Ziel. Aber die eigentliche Beratungsaufgabe wurde im Test häufig gar nicht schlecht gelöst. Dass das Protokoll so oft nicht ausgehändigt wurde, beanstanden die Tester zu Recht. Allerdings gewichten sie es zu stark bei der Benotung.

SZ: Wenn das Protokoll so oft fehlt, scheint das kein Zufall zu sein – sondern ein systematischer Fehler. Das Protokoll ist gesetzlich vorgeschrieben. Reden Sie diesen Mangel nicht schön?

Sproll: In diesem Punkt bin ich mit den Verbraucherschützern und Herrn Nauhauser einig: Es kann nicht sein, dass man Gesetze missachtet. Punkt.

SZ: Also eine Blamage?

Sproll: Ich kann nicht über die Banken reden, die hier genannt werden, sondern nur über unser eigenes Haus. Da gibt es knallharte Kontrolle und eine klare Aussage: Es muss dokumentiert werden, die Papiere – dazu gehört auch das Protokoll – müssen mitgegeben werden, es wird nichts vom Kunden unterschrieben. Es wird jeder Auftrag jeden Tag kontrolliert, auch auf Fehler kontrolliert. Alle Formalien müssen abgearbeitet werden.

Nauhauser: Was Sie sagen, höre ich dauernd von verschiedenen Bankvertretern: Über die Branche insgesamt können wir nichts sagen, und unser eigenes Haus ist sauber. Sogar die Finanzaufsicht Bafin hat Anfang des Jahres festgestellt, es gebe bei den Protokollen keine schweren Mängel, stattdessen würden die Berater mehr Freiraum benötigen. Ich kann da nur mit dem Kopf schütteln. Die Aufsicht verkennt das Problem, denn sie kann es gar nicht messen. Sie geht ja nur in die Banken rein und schaut sich das Papier an, das vorliegt –sieht aber nicht das, was fehlt. Der aktuelle Test spricht eine andere Sprache: Die gesetzliche Dokumentationspflicht laut Wertpapierhandelsgesetz wird systematisch missachtet.

SZ: Muss man denn deshalb gleich die Bank eine ganze Note herunterstufen, wie das im Test passiert ist?

Geiger: Ich finde das methodisch fragwürdig.

Nauhauser: Ich würde es sogar noch stärker gewichten. Sobald Gesetzesverstoße vorliegen, müsste man ein glattes „ungenügend“ vergeben. Würde man die Bewertung nur um eine Note abschwächen, könnte man sogar ein gtues Ergebnis bekommen, obwohl man Gesetze missachtet. Das kann ja wohl gar nicht angehen.

Geiger: Aber man kann – ganz im Sinne des Verbrauchers – den Nutzen dieses Protokolls hinterfragen. Ein Protokoll kann nur dokumentieren. Die Qualität einer Beratung, der Inhalt des Gesprächs also, findet vorher statt – das ist doch entscheidend.

SZ: Sie meinen, das Ergebnis ist eigentlich besser, als es im Test aussieht?

Geiger: Es ist deutlich besser als in der Vergangenheit.

SZ: Gehen wir also ins Detail: In etwa einem Drittel der Fälle haben die Bankberater nicht nach Vermögen, nicht nach Einkommen und auch nicht nach dem Beruf gefragt. In zwei Drittel der Fälle nicht der Ausbildung. Wie will ich da überhaupt eine gute Anlageberatung schaffen?

Sproll: Wäre die Dokumentation sauber gemacht worden – mit dem Dokumentationsbogen, über dessen Sinn wir eben gestritten haben –, dann wären die Fragen automatisch gekommen. Deshalb kann ich die strenge Pflicht, den Bogen immer nutzen zu müssen, auch nur unterstützen: In diesem Fall heißt das: Die Frage nach Vermögen und Einkommen muss ich stellen, selbstverständlich.

Geiger: Aber welchen Schluss soll ich als Berater aus dem Bildungsabschluss eines Kunden ziehen – oder aus seinem Beruf? Viele Kriterien, die im Gesetz verankert sind, gehen an der Praxis vorbei und hinterlassen beim Kunden das Gefühl des Ausgefragtwerdens.

Nauhauser: Jeder Berater sollte wissen, warum das relevant ist. Ich habe dann eine Information über das zukünftige Einkommen und über die Stabilität dieses zukünftigen Einkommens. Wenn jemand beispielsweise in einer Branche ist, die mit hoher Fluktuation, von hoher Arbeitslosigkeit betroffen ist, dann gibt es dem Berater den Hinweis: Darüber sollte man reden. Wie sicher ist eigentlich dieses Einkommen? Eventuell muss der Banker von unflexiblen Verträgen abraten. Bei der Kreditvergabe prüfen die Banken viel genauer, ob jemand – sagen wir – seine monatliche Rate von 800 Euro auch langfristig leisten kann. Bei der Geldanlage schauen zu viele aber nun nicht so genau hin.

Geiger: Ich rede nicht vom Einkommen, sondern vom Bildungsstand im Moment.

Nauhauser: Das eine ergibt das andere.

Geiger: Und wenn der Kunde den Arbeitgeber wechselt?

Nauhauser: Trotzdem: Es ist eine Information, wie sicher ein Zahlungsstrom ist.

Sproll: Wissen Sie heute, was Sie in zwei Jahren verdienen, Herr Nauhauser?

Nauhauser: Nein, aber auch Unsicherheit ist eine Information. Ein Berater sollte sie nutzen.

Sproll: Dann dürften Sie gar keine Finanzierungen mehr machen, zum Beispiel für eine private Immobilie. Weil ich als Kunde vieles nie sicher voraussagen kann: ob man sich scheiden lässt, ob man den Arbeitgeber wechselt, ob man arbeitslos wird.

Nauhauser: Doch, natürlich darf man auch unter solchen Vorzeichen Finanzierungen empfehlen. Im Interesse der Verbraucher sollte es aber schon darum gehen, ein Gefühl für verborgene Risiken zu bekommen. Deshalb ist es so wichtig, unbedingt die finanzielle und persönliche Situation zu dokumentieren. Und mit Hilfe des Protokolls kann ein Bankkunde auch verschiedene Beratungen und Angebote direkt vergleichen – und das für ihn günstigste auswählen.

Sproll: So sehr ich die Dokumentationspflicht im Grundsatz begrüße, sollten wir sie nicht als Allheilmittel ansehen. Da ist noch vieles verbesserungswürdig. Erklären Sie mir zum Beispiel, welchen Nutzen es hat, für jedes Folgegespräch erneut die ganze Dokumentation zu machen. Von A bis Z. Das stößt bei den Kunden mittlerweile sauer auf.

SZ: Heißt das, Sie sind nun doch nicht für die Dokumentationspflicht ohne Wenn und Aber?

Sproll: Im Prinzip bin ich dafür. Die Erstdokumentation hilft uns ja auch. Wenn eine Bank die Bögen nicht aktiv mitgibt, dann kann ich das nicht tolerieren. Aber für die Folgegespräche bräuchten wir eine pragmatische Lösung, auch im Sinne der Kunden.

SZ: Die Volksbank Mittelhessen – also ein Institut aus Ihrer genossenschaftlichen Bankengruppe – ebenso wie die Nassauische Sparkasse haben nicht ein einziges Mal überhaupt Protokolle ausgehändigt.

Sproll: Können wir nicht akzeptieren. Punkt.

SZ: Null Toleranz?

Sproll: Exakt.

SZ: Und wie sollen die Banken das besser hinbekommen?

Nauhauser: Es ist jedenfalls nicht damit getan, bloß den Nachholbedarf festzustellen. Wir brauchen eine wirklich bissige Aufsicht, die hingeht und guckt, wenn da jemand nicht protokolliert am Schalter, Testkäufe beispielsweise macht oder solchen Veröffentlichungen der Stiftung Warentest nachgeht.

Geiger: Man sollte die Diskussion nicht einengen auf die gesetzlichen Pflichten. Manchmal ist das sogar kontraproduktiv. Stellen Sie sich einen Bankkunden vor, der zum ersten Mal ins Kreditinstitut kommt. Eigentlich sucht er einen Berater, zu dem er ein Vertrauensverhältnis aufbauen möchte. Und dann fängt der an, wilde Spekulationen über die Sicherheit des Arbeitsplatzes anzustellen? Ich weiß nicht, ob das eine vertrauensbildende und für den Kunden, für den Verbraucher interessengetriebene und hilfreiche Maßnahme ist. Nach Auffassung der Sparkassen ist das Bedürfnis des Kunden sicher nicht, sofort die privaten Hosen herunterlassen zu müssen. Das ist bereits ein Webfehler der Gesetzgebung zum Beratungsprotokoll. Wir haben seit langem in unseren Sparkassen einen ganz anderen Ansatz: Es gibt ein Erstgespräch, das auch sehr zeitaufwendig ist und in einen längeren, nachhaltigeren Prozess münden kann. Darin wird der Kundenbedarf ermittelt und schrittweise gemeinsam mit dem Kunden umgesetzt. Bei uns heißt dieser Beratungsprozess „Sparkassen-Finanzkonzept“. Das kommt sehr gut an und ist viel ausführlicher, als es der Gesetzgeber fordert.

SZ: Auch bei der allgemeinen Beratungsqualität erzielen die getesteten Banken kein gutes Ergebnis.

Nauhauser: Frau Geiger, es geht nicht darum, dass der Berater wilde Spekulationen anstellt. Er muss nur alle Informationen haben, die er für eine gute Beratung braucht. Die BW-Bank lässt sich ihre Beratung sogar vom Tüv Süd zertifizieren, der ihr eine hervorragende Beratungsqualität bescheinigt. Doch im Test schneidet sie zum zweiten Mal miserabel ab.

Sproll: Mich wundert schon, welches Lösungsprofil die Tester vorgegeben haben. Es ging ja um eine Anlage auf zehn Jahre. „Finanztest“ erwartet die Empfehlung von Tagesgeld. Wenn das einer meiner Berater so empfehlen würde, den müsste ich entlassen. Dem Kunden heute zu Tagesgeld auf einen Zehn-Jahres-Horizont zu raten, wenn ich doch weiß, dass die Tagesgeldanleihe vom Bund 0,25 Prozent und bei einer Bank vielleicht ein Prozent bringt – tut mir leid, Herr Nauhauser, da verstehe ich das Bewertungssystem nicht.

Geiger: Wir können uns sicher nicht auf die Schulter klopfen in Bezug auf diesen Finanztest, bei dem es um eine Neukundensituation geht. Wo wir aber meines Erachtens deutlich besser abschneiden, ist praktisch bei unseren bestehenden Kundenverbindungen.

SZ: Sie meinen: Sparkassen-Kunden haben in Wirklichkeit allen Grund, zufrieden mit der Beratung zu sein?

Geiger: Das wird uns von vielen langjährigen Kunden so bestätigt. Die Reaktionen zum Beratungsprotokoll zeigen das deutlich. Es gibt zum einen die langjährigen Kunden, die sich sehr häufig sehr intensiv beraten lassen. Von solchen Kunden wird das Protokoll abgelehnt, die sagen: Leute, geht´s Euch noch gut? Ich will nicht das ganze Papier. Was soll dieser Bürokratieaufwand?

SZ: Reagieren neue Kunden auch so?

Geiger: Ein Neukunde begrüßt dieses Prozedere mit der Protokollpflicht eher. Der Gesetzgeber lässt uns aber leider zu wenig Individualität, um auf den Kundenwunsch, auch auf den geäußerten Kundenbedarf zu reagieren: Der Kunde kann nicht wählen, ob er ein Protokoll möchte oder nicht.

SZ: Reden Sie jetzt nicht um den heißen Brei herum? Über Altkunden macht der Test keine Aussage. Alle 146 Beratungsgespräche waren doch quasi Neukunden-Gespräche. Und in diesem Segment sehen alle Banken mehr oder weniger schlecht aus.

Geiger: Wir haben – so wie der Finanztest angelegt ist – Nachholbedarf bei Neukunden. Aber die Mehrzahl unserer Kunden sind nicht die, die wie die Verbraucherschützer bei uns auftauchen. Das sind Bestandskunden, die wir kennen und die uns kennen.

Nauhauser: Ich wundere mich, dass Sie sagen: Bei Bestandskunden läuft alles prima, und nur bei den Neukunden laufe es möglicherweise falsch. Bei denen müsste man sich doch eigentlich besonders viel Mühe geben, um sie zu gewinnen. Deshalb vermute ich eher, dass die Beratung von Bestandskunden noch schlechter ist.

Sproll: Ich wehre mich gegen diese strikte Trennung Neu- und Altkunden. Wir müssen beiden Kundengruppen gute Berater sein, und ich sage Ihnen auch warum: Verbraucherschützer wie Sie, Herr Nauhauser, denken immer, dass wir Banken unsere Kunden über den Tisch ziehen. Dabei können wir Volksbanken und Sparkassen – von unserer Philosophie her, von unserem Geschäftsmodell – doch nur von den Kunden aus der Region leben. Wer sich über den Tisch gezogen fühlt, kommt nicht mehr.

SZ: Das Problem ist nur, das man oft erst viele Jahre später merkt, dass man nicht gut beraten war. Außerdem fehlt es an Alternativen. Wohin soll ein Kunde gehen, wenn nicht zur Sparkasse oder Volksbank oder einer der wenigen Privatbanken, die noch Filialen haben?

Nauhauser: Wir fordern seit längerer Zeit die Trennung von Verkauf und Beratung bei Finanzprodukten. Bisher besteht Ihr Geschäftsmodell darin, Produkte zu verkaufen und den Verbrauchern zu sagen, es handele sich um Beratung.

Geiger: Da liegen Sie völlig falsch. Zunächst einmal tut uns schlechte Beratung deshalb weh, weil der Kunde nicht mehr kommt. Und was die von Ihnen geforderte Trennung zwischen Beratung und Verkauf anbelangt: Wir halten das für unzweckmäßig. Allein an der Börse Frankfurt werden 380 000 Finanzprodukte gehandelt. Wer will denn da den Überblick behalten? Hier muss auch ein angeblich „neutraler“ Berater vorab massiv selektieren. Das gesamte Spektum überblickt er nicht.

Sproll: In unserer Bank wird der Berater nicht danach bezahlt, welche für Produkte er verkauft. Er schaut also nicht auf die Höhe von Provisionen für bestimmte Produkte, die möglicherweise dem Kunden weniger Nutzen bringen könnten. Der Berater wird allein dafür bezahlt, was er bedarfsgerecht verkauft – allerdings hat er im Prinzip gewisse Jahresziele. Wenn er das Gesamtziel nicht erreicht, hat er insgesamt zu wenig für seine Kunden getan.

SZ: Und die Transparenz?

Sproll: Geh ich zum Bäcker und sag: Was hast Du für einen Verdienst an den Brötchen? Geh ich zum Autohaus und frag: Wie hoch ist Dein Verdienst an einem Fahrzeug?

Geiger: Wir als Kreditinstitute sind die einzige Branche, die ihren Verdienst offenlegen muss- Obwohl wir eigentlich den gleichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unterworfen sind wie alle anderen Branchen auch. Dabei interessiert die meisten Kunden überhaupt nicht, wie viel Geld aus einer Fondsvermittlung zurückfließt. Die wollen wissen, ob es die richtige Anlage für sie ist.

Nauhauser: Es gibt viele beratende Berufe, die ihre Honorare offenlegen: Rechtsanwälte, Steuerberater und viele mehr. Insofern verstehe ich diesen Einwand gar nicht. Natürlich ist das etwas ganz und gar anderes, wenn Sie bei H&M eine Bluse kaufen. Bei der Bluse wissen Sie, was Sie bekommen: Die können Sie anziehen und sofort mitnehmen und wissen, wie die Qualität ist. Bei der Finanzberatung, insbesondere bei der Altersvorsorgeberatung, erhalten Sie abstrakte Ratschläge: vom Sparvertrag über die Rentenversicherung bis hin zu Fondsparplänen und anderen Produkten. Ob die Beratung gut war, kann kein Verbraucher nach der Beratung herausfinden. Berater haben da einen Informationsvorsprung, und deshalb müssen die kosten der Beratung – auch verdeckte Provisionen – offengelegt werden.

Geiger: Auch ein Autohändler kann beim Autokauf falsch beraten. Da geht es ebenfalls um große Summen. Oftmals um größere als bei den Banken.

Nauhauser: Der Verkauf von Finanzprodukten ist das eine, Finanzberatung das andere. Wenn Sie vernünftig beraten wollten, brauchten sie keine 380 000 Produkte. All diese komplexen Finanzprodukte wurden nur deshalb von der Finanzindustrie designt, um neue Markt- und Absatzmöglichkeiten zu erschließen. Um mit neuen Trends die Verbraucher anzusprechen: Wir haben hier was ganz Tolles für Dich, es geht um Klima, um das Wachstum in Asien, neue Fonds. All diese Modeprodukte braucht kein vernünftiger Berater.

SZ: Das wirkt so, Herr Nauhauser, als wollten Sie vorschlagen: Alle Autofahrer dürfen nur noch VW-Käfer fahren.

Geiger: Ihr Beratungsansatz ist schon ein bisschen eigentümlich. Ich hätte gar nichts dagegen, wenn Sie sagen: Fonds sind per Saldo mal keine schlechte Anlageform. Aber auch da gibt es mehr als eine hohe fünfstellige Zahl weltweit.

Nauhauser: Ein Anleger, der chancenorientiert ist, braucht keine Branchenfonds, keine Spezialitätenfonds. Es genügen weltweit streuende, oder mindestens europaweit streuende günstige Fonds – zum Beispiel Index-Fonds.

Geiger: Aber Herr Nauhauser, da geht Ihr Anspruch, das wundert mich jetzt, deutlich unter den, den wir an unsere Berater haben. Weil wir nämlich von unseren Beratern verlangen, dass sie zusätzlich wissen, was in den Fonds drin ist. Mir geht es um die Beratungsqualität und den Anspruch, den wir gemeinsam haben.

Sproll: Ich weiß von einer großen, befreundeten Bank, die 6500 Produkte pro Jahr abschließt. Davon sind etwa zehn Prozent risikorelevant, also 650 Stück. Ungefähr 30 bis 40 entwickeln sich nicht im Sinne des Kunden im Zeitverlauf. Dies entspricht einer Quote von lediglich 0,6 Prozent pro Jahr. Wobei schief laufen noch lange nicht heißt, dass der Kunde das Risiko am Anfang nicht gekannt hat.

SZ: Ist das nicht eigentlich der Kern des Problems: Ein Anleger, ein Bankkunde braucht Hilfe. Er möchte an die Hand genommen werden. Aber den letzten Meter, den muss der Bankkunde schon allein gehen. Herr Sproll und Frau Geibel können ihm nur die Vor- und Nachteile erklären. Verlangen Bankkunden die Quadratur des Kreises? Den Berater als Hellseher?

Sproll: Das ist der Punkt: Du machst fünf verschiedene Sachen, und eine geht schief. Murks wars. Dann fühlt sich der Kunde wegen der einen schlecht beraten, aber komplett schlecht beraten.

SZ: Wecken Verbraucherschützer hier eine falsche Erwartung?

Nauhauser: Das stimmt doch gar nicht. Beratung auf Basis einer Glaskugel ist unseriös, auch wenn viele Banken genau das als ihr Geschäftsmodell ansehen. Der Verbraucher bezahlt für die Beratung, da kann er ja wohl erwarten, dass der Beater eine ganz konkrete Empfehlung aussprechen kann Die Entscheidung liegt natürlich beim Verbraucher.

Sproll: Ja freilich, der Kunde sagt ja oder nein.

SZ: Bankberater haben die Kompetenz, Finanzprodukte und Finanzmärkte zu erklären. Nach diesem Test ist das nicht gut gelaufen. Das allein ist Grund genug, auch künftig solche Stichproben zu machen. Aber beruht die Unzufriedenheit von Anlegern nicht zu einem großen Teil auf einem grundlegenden Missverständnis: dass Bankberatung automatisch zu Gewinnen führt? Und ist es nicht gerade der Verbraucherschutz, der diese Erwartungshaltung erzeugt?

Nauhauser: Nein. Wir erzeugen lediglich die Erwartungshaltung, dass Verbraucher eine vernünftige Beratung erwarten sollten. Natürlich muss jeder selbst entscheiden, ob er den ausgesprochenen Rat, den dokumentierten und begründeten Rat, umsetzen möchte.

Sproll: Es gibt solche Kunden, die denken: Mensch Berater, Du must das doch wissen, was in den nächsten fünf Jahren passiert. Das kann keiner. Das ist genau das Problem.

Geiger: Die Finanzkrise hat gezeigt: Es können Dinge eintreten, die nicht vorhersehbar sind. Der Berater und der Kunde – beide konnten sich das schon mal gleich gar nicht vorstellen. Stichwort Lehman. Nicht nur der Verbraucherschutz, sondern auch die Gesetzgebung signalisieren dem Anleger, Verluste verhindern zu können – durch Fragen, Beratungsprotokolle und ähnliches. Das ist ein Trugschluss. Ebenso wie die Annahme, dass ein Protokoll die Beratungsqualität automatisch erhöht. Das Problem ist eher, dass nicht zwischen guter Beratung und dem wirtschaftlichen Ergebnis einer Anlage unterschieden wird.

SZ: Dass die Banken nicht einmal flächendeckend Basis-Informationen zum Anlagekunden erheben, ist auch nicht gerade ein Ausweis exzellenter Qualität. Könnte es sein, dass so viele Banken keine Protokolle ausstellen, weil sie sich selbst schützen wollen? Weil dann mögliche Beratungsfehler schwarz auf weiß dokumentiert sind? Weil sie Angst vor Regress haben?

Sproll: Das weise ich zurück. Es ist ja genau andersherum: Die Verbraucherschützer raten den Kunden, bloß keine Protokollbögen zu unterschreiben. Weil es so gesetzlich vorgeschrieben ist, aber das ist ein Webfehler des Gesetzgebers. Der Kunde würde dann ja bestätigen, dass die Angaben, die er gemacht hat, auch richtig sind. Das darf und soll nun nicht sein. Das ist für mich der größte Witz.

Nauhauser: Wir haben 14 Dokumentationsfälle in Baden-Württemberg gesammelt, von verschiedenen Banken und Anbietern. Und die Dokumentationen erhalten teilweise sogar falsche Angaben, Berater haben also schlampig gearbeitet.

SZ: Aber die meisten Bankkunden können doch lesen und ihre Angaben überprüfen, bevor sie unterschreiben.

Nauhauser: Es gab viele Fehler und auch vorsätzliche Falscheintragungen, etwa weil der Beater sonst Ärger mit der internen Revision bekäme. Wir raten den Verbrauchern daher, nichts zu unterschreiben. Die Interessenslage bei der Bank ist ganz klar. Alles was da steht, kann vor Gericht gegen Verbraucher verwendet werden.

SZ: Sie sagen: Wir wollen eine Dokumentation. Aber sie darf bitte nur dann verbindlich sein, wenn sie Verbrauchern. Wenn die Bank einen Vorteil davon hat, soll sie möglichst unverbindlich sein. Finden Sie das fair?

Nauhauser: Es ist gut, wenn ein Beratungsprozess dokumentiert wird. Und wenn der korrekt dokumentiert wird, dann kann der Verbraucher das ja auch unterschreiben. Fakt ist leider oft: dass ein Formular ausgefüllt wird, dass viel nebenher geredet wird – und dass nicht das, was der Berater sagt, nachher auch da drin steht.

Sproll: Gehen wir einmal davon aus, es wurde korrekt protokolliert. Was spricht dagegen, wenn der Kunde seine eigenen Daten unterschreibt? Was ist, wenn der Kunde bei Gericht sagt, er habe alles vergessen? Wir Banken werden langsam für blöd verkauft, wenn es Streitereien gibt.

Nauhauser: Von einer Unterschrift unter dem Gesamtprotokoll raten wir ab. Denn es werden nicht nur die Angaben des Kunden protokolliert, sondern auch die Informationen, die der Berater dem Kunden gegenüber geäußert hat. Da steht dann eine Formulierung drin wie „Alle Risiken wurden erläutert, das Produkt umfassend erklärt.“ Das ist eine Haftungsfreistellung, und die sollte niemand unterschreiben. Der zweite Punkt ist, ob man differenziert zwischen der Empfehlung und der Information, die im Beratungsgespräch vom Berater gegeben wird. Die Ermittlung des Kundenstatus für sich genommen – das kann der Verbraucher ruhig unterschreiben, immer vorausgesetzt, er ist sich hundertprozentig sicher, dass die Angaben stimmen.

Geiger: Trotzdem bleibt eine große Schieflage – zu Ungunsten der Bank: Von den Beratern verlangen Sie und verlangt der Gesetzgeber, dass er Dinge unterschreibt, deren Wahrheitsgehalt er auch nicht prüfen kann. Etwa das Einkommen, Vermögen und weitere Daten der Kunden. Den Kunden raten Sie ab, zu unterschreiben. Also ich plädiere da schon künftig für vertrauensbedingte Fairness von beiden Seiten – und für weniger Formalismus.

Hintergrund: Die Ergebnisse von Stiftung Warentest