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Minizimmer

Klemme: Vater lebt mit zwei Kindern in Minizimmer

Weingarten / Lesedauer: 3 min

Drei Personen wohnen auf zwölf Quadratmetern – Iraner kämpft um seine Existenz
Veröffentlicht:08.06.2011, 21:15

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Eine kaum vorstellbare Lebenslage: Hoss Balai (46) sitzt auf seinem Bett, das in einem etwa drei mal vier Meter kleinem Zimmer steht in einem Wohnheim in der Lazarettstraße in Weingarten. Das Zimmer ist zugestellt, kein Wunder – denn hier Leben drei Menschen.

Balai mit seinen Söhnen Ramin (17) und Dariush (13), der Große besucht gerade einen berufsvorbereitenden Lehrgang, der kleinere die Realschule, ein dritter studiert in Kassel. Am späten Nachmittag kommen die beiden Jüngeren „nach Hause“, legen sich am Abend schlafen: Ramin und Dariush ins Bett, der Vater auf die kleine freie Fläche Fußboden. „Seit zweieinhalb Monaten warte ich schon auf eine größere Wohnung – aber es tut sich nichts“, klagt der Iraner.

Balai schimpft viel, auf alles und jeden, doch seine Worte sollte man nicht überbewerten, er macht schlicht einen verzweifelten Eindruck. Verzweifelt, weil wohnungslos; verzweifelt, weil arbeitslos; verzweifelt, weil sein Sohn im Elend lebte; verzweifelt, weil ohne Aufenthaltsgenehmigung; verzweifelt, weil in den Mühlen der Verwaltung; verzweifelt, weil eine nun zehn Jahre dauernden Odyssee nicht zu Ende gehen will.

Anfang der 90er-Jahre ist das Leben der Familie Balai noch in Ordnung, sie wohnt erst in Aalen später in Göppingen. „Dann habe ich Mist gebaut“, sagt Hoss Balai. Er fährt, so seine Darstellung, mit dem Auto von Italien nach Deutschland, auf dem Beifahrersitz sein Schwager, der im Gegensatz zu ihm aber kein Aufenthaltsrecht für Deutschland besitzt. „An der Grenze wurden wir verhaftet.“ Der Vorwurf: Einschleusen von Ausländern. Für 18 Monate wandert der Iraner ins Gefängnis. In dieser Zeit verliert er erst seine Aufenthaltsgenehmigung – und dann seine Frau, die sich scheiden lässt.

2009 kehrt er zurück nach Deutschland, der Heimat seiner nun deutschen Kinder. Der Status als Asylant wird ihm verweigert, auch weil vorbestraft. Das Sorgerecht für Ramin liegt indes bei ihm. Dann der Schock vor rund zwei Monaten. Der 13-jährige Dariush ist in Not, die Mutter verliert die Kontrolle. „Der Junge wurde oft alleingelassen und geschlagen“, sagt Balais Anwältin Katrin-Dieterich Schuhmacher.

Der Vater holt den Sohn zu sich – und kämpft seither an allen Fronten. Das Sorgerecht für Dariush ist beantragt, die Chancen stehen offenbar gut. Gegen die Ablehnung des Asylantrags hat er eine Klage eingereicht. Das Ausländeramt des Landratsamts bittet er um eine größere Wohnung, lebenswert für drei Personen. Nun wartet er. Und das Warten scheint ihn zu zerreißen. „Wir haben uns mehrere Wohnungen im Landkreis Ravensburg für Herrn Balai angesehen“, sagt ein Vertreter des Amtes, der jedem Asylbewerber 4,5 Quadratmeter zuweisen kann. Was fehlt, ist noch das Sorgerecht für den 13-Jährigen. Und der Status als anerkannter Asylant. Dann könnte der 46-Jährige sich eine Arbeit suchen, womöglich selber eine große Wohnung finanzieren.

„Ich verstehe das nicht“, sagt der Iraner. „Ich sorge mich um meine Kinder, ich bin kein schlechter Mensch. Warum passiert nichts?“

Ein komplexer Fall, in dem sich Hoss Balai in den Wirren aus Behörden, Gesetzen, Nöten und eigenen Fehlern verfangenen hat, in dem eine Entscheidung, von der anderen abhängt. Heute steht ein Gerichtstermin an, es geht um das Sorgerecht für seinen Jüngsten. Möglicherweise der Anstoß, für einen Weg heraus – aus zwölf Quadratmeter Lebensenge.