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Publikumsfrage

Dem Brandauer passen die Biberacher Publikumsfragen nicht

BIBERACH / Lesedauer: 3 min

Dem Brandauer passen die Biberacher Publikumsfragen nicht
Veröffentlicht:07.11.2010, 15:50

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Ausverkaufter Kinosaal und jede Menge Kameras: Der Film „ Fritz Bauer – Tod auf Raten“ hat auch wegen eines prominenten Besuchers am Freitagabend für Aufsehen gesorgt. Als freundlicher Zeitgenosse präsentierte sich Klaus Maria Brandauer allerdings nicht. Er kam, stand im Rampenlicht und polterte.

Regisseurin Ilona Ziok kann es selbst kaum glauben: Im Biberacher Kinosaal steht vorn vorm Publikum Klaus Maria Brandauer neben ihr. „Ich kann's nicht fassen, dass Sie ...“, sagt die Filmemacherin zu dem berühmten Mann, der ihr Applaus klatscht. Dann umarmen sich die beiden. „Sein lieber Freund Klaus Maria Brandauer“ sei gekommen, sagt Adrian Kutter den Besuchern, „damit ein Mann wie Fritz Bauer wieder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt und gewürdigt wird.“ Dem niedersächsischen Generalstaatsanwalt Bauer, der mit dem Remer-Prozess die Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944 rehabilitierte, die Frankfurter Auschwitzprozesse initiierte, zur Verhaftung Adolf Eichmanns beitrug und 1968 tot in seiner Wohnung gefunden wurde, hat Ziok ihren Dokumentarfilm gewidmet. „Das, was bei uns heute völlig normal ist, dass das Nazi-Regime ein Unrechtsregime war, dieses Denken hat Bauer bewirkt“, sagt Ziok über die Bedeutung des nahezu in Vergessenheit geratenen Mannes. Die meisten Fernsehkameras sind da aus.

Darauf, dass Brandauer etwas sagt, warten sie. Doch der schweigt, nachdem er sich bereits zu Beginn des Gesprächs mit dem Publikum geäußert hat. „Vielleicht ist der Mensch doch ein Betriebsunfall der Natur“, stellte Brandauer vorher fest. „Man hält's nicht für möglich, wozu wir – wozu unsere Brüder und Schwestern – fähig waren.“ Man müsse sich fragen, wie man selbst gehandelt hätte. „Ich könnte die Hand nicht ins Feuer legen. Ich hoffe nur immer, ich hätte richtig entschieden.“ Der Film sei Denkanstoss, sich genau damit auseinander zu setzen, sagte Brandauer.

Doch aus dem Publikum kommt eine ganz andere Frage: Weil eine Filmversion ohne Beschriftungen und Untertitel gezeigt wurde, will ein Zuschauer wissen, wer die Menschen sind, die im Film zu Wort kommen. „Das ist doch vollkommen unwichtig“, poltert Brandauer da. Als Ziok die Fragen des Publikums beantwortet hat und sich Kutter für den Besuch bedankt, gehen die Kameras wieder an – um Brandauer noch einmal zu filmen.

Gespräch mit Journalisten

Während die Besucher den Saal verlassen, beantwortet der Schauspieler Journalistenfragen. „Ich hatte den Eindruck, dass wir hier über alle möglichen Dinge reden, anstatt uns die Frage zu stellen: Was wäre gewesen, wenn ich damals gelebt hätte“, betont er noch einmal, was ihm eigentlich am Herzen liegt. „Wir trauen uns nicht einzugreifen, wenn sich heute drei, vier Jugendliche prügeln“, sagt er dem Sender Regio TV über die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit. „Und dann sagen wir: Uns hätte das nicht passieren können.“